1650-1800
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Italien, um 1650: der Barockstil steht in voller Blüte.
Ein anderes Bild zeigt sich in Deutschland.Vom 30-jährigen Krieg gezeichnet, beginnt das kulturelle Leben langsam
wieder aufzublühen. Der Barockstil beginnt erst, sich durchzusetzen. Aus der Renaissance entwickelt, nutzt auch
er die klassisch-antike Formensprache und deren Ornamentik zu seinem individuellen Ausdruck. Den Barock kennzeichnet eine starke Dynamik,
die alle Aspekte der Architektur durchzieht.
Charakteristisch ist auch die Beschäftigung mit dem Licht, das zur
Erreichung dramatischer Effekte eingesetzt wird. Gleichzeitig wird die renaissancehafte Ausgewogenheit zu Gunsten einer
hierarchischen Ordnung aufgegeben; sichtbar wird dies etwa in Fassaden mit mehr und weniger betonten Partien.
Mitte des 18. Jahrhunderts wendet sich das Stilempfinden zum Rokoko. Nun tritt die Architektur weniger wuchtig auf,
die Bauwerke zeigen vermehrt verspielt-intimen Charakter.
Weinlokal Steichele, Spätbarock (Knorrstr. 2, 1777).
Hinzu kommt, dass Nürnberg protestantisch war. Es war aber gerade die katholische Kirche,
die maßgeblich im süddeutsch-italienisch geprägten Barockstil bauen ließ.
Abgesehen von Einzelfällen wurden in der Barockzeit in der Altstadt hauptsächlich
Umbau- und Verschönerungsmaßnahmen durchgeführt, wie zum Beispiel Fassadenrenovierungen
mit der Anbringung neuer, dem Zeitgeschmack entsprechender Chörlein.
Gartenanwesen und Schlößchen
Nürnberg hat keine Residenz und keinen Barockdom, dafür aber
ebenso einzigartige und umso bemerkenswertere Denkmäler aus der gleichen Zeit.
Von der barockisierten Fassade des Schlosses Oberbürg (bez. 1768) hat der Bombenkrieg wenig übrig gelassen.
Foto: Bildarchiv Foto Marburg
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Spätbarocke Fassade (Adlerstr. 21, 1729)
Weitab von Versailles: Bürgerliches Nürnberg
Die Barockzeit in Nürnberg ist im Vergleich zu den vorangegangenen Epochen von
weniger auffälliger Bautätigkeit gekennzeichnet.
Hierfür ist zum Teil sicher die damalige Situation Nürnbergs
verantwortlich. Der 30-Jährige Krieg hinterließ Nürnberg substanziell
weitgehend unversehrt, man blieb im Bewusstsein der vergangenen Glanzzeit
verhaftet.
Darüber hinaus war in Nürnberg kein absolutistischer
Herrscher ansässig, der mit Prachtbauten repräsentieren wollte,
sondern das alteingesessene Patriziat blieb beherrschender Faktor in der
Stadt, die im 18. Jahrhundert in immer größere finanzielle Schwierigkeiten
kam.
Rest eines barocken Gartenanwesens in der Nordstadt, Innerer Kleinreuther Weg 3a
Im 18. Jahrhundert besaßen viele Patrizier Nürnbergs neben
ihrem Stadtanwesen noch ein Gartenhaus außerhalb der Stadt. Von diesen
einst zahlreichen "Hesperidengärten" konnten vor allem an der
vom Neutor stadtauswärts führenden Johannisstraße einige
konserviert oder rekonstruiert werden. Ein Gartendenkmal von hohem kulturhistorischen Wert
ist auch der für Nichteingeweihte mysteriös wirkende Irrhain (1676)
des Pegnesischen Blumenordens, einer Vereinigung von Barockdichtern, die
sich zur Erbauung den so genannten Garten anlegen ließen. Sein
historistisches Portal
weist auf die barocke Tradition hin und zeugt vom regen Geistesleben in dieser Zeit.
Manche Familien hatten noch die Mittel, um sich ein Schlößchen zu bauen oder wenigstens
den alten Stammsitz dem Zeitgeschmack entsprechend zu renovieren.
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Viele wünschen sich den 1656 entworfenen Neptunbrunnen zurück auf den Hauptmarkt, auch wenn
es sich bei dem heute im Stadtpark stehenden Exemplar "nur" um einen Abguss aus dem
Jahr 1902 handelt. Das Original, 1797 an den russischen Zaren verkauft, kann noch heute bei Schloss Peterhof besichtigt werden.
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WWW-Verweise und Literaturhinweise:
- SCHWEMMER, Wilhelm: Die Anwesen Johannisstraße 39 und Sulzbacherstraße 32 als
Beispiele der Alt-Nürnberger Gartenkultur. In: MVGN 64 (1977), S. 183 ff.
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