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Website der "Nürnberger Bauernhausfreunde"



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Epoche:  Historismus

1820-1910


Die Epoche des Historismus wird wegen ihres oft kritisierten Stilgemisches und dem scheinbaren Unvermögen, etwas Eigenständiges zu schaffen, häufig wenig beachtet. Gerade aus dieser von architekturtheoretischen Problemen geprägten Zeit stammen jedoch zahlreiche Baumaßnahmen in der Altstadt sowie wesentliche Teile der sich um den historischen Kern gebildeten neuen Stadtteile. Der Begriff Historismus steht dabei für den gezielten Rückgriff auf die Architekturformen der Vergangenheit.

Arndtstrasse

Die Arndtsträße in Johannis gibt einen guten Eindruck von der gründerzeitlichen Stadterweiterung

Fassadendetail

Spätklassizismus in der Königstraße


Der Historismus entwickelte sich seit dem Klassizismus mit der Wiederaufnahme der griechischen Architektur. Der Bauherr konnte zur Zeit des Höhepunktes des Historismus gegen Ende des 19. Jahrhunderts beliebig wählen, in welchem Stil er bauen wollte. Aus diesem Grunde wird auch von "Eklektizismus" gesprochen. Als Stilrichtungen des 19. Jahrhunderts haben Neugotik und der sogenannte "Neu-Nürnberger Stil" die Architektur des 19. Jahrhunderts in Nürnberg besonders stark beeinflusst.



Neugotik

Die Neugotik ist in England schon seit etwa 1720 bekannt; in der Gestaltung der Bauwerke wird die mittelalterliche Gotik nachgeahmt. In Deutschland kam es vom Ende des 18. Jahrhunderts bis zur Mitte des 19. Jahrhunders im Zuge der Romantik und der damit verbundenen Schwärmerei für das Mittelalter und Ruinen zu einem Höhepunkt der Neugotik. Später wurde das Bauen im "gothischen Styl" fester Bestandteil des historistischen Formenkanons.

Neugotisches "Teufelsbrünnlein" an der Lorenzkirche

Neugotisches "Teufelsbrünnlein" an der Lorenzkirche,
von Friedrich Wanderer (1888)


Neugotisches Fenster am Germanischen Nationalmuseum

Fenster am Südwestbau des GNM, 1898-1900 von Gustav von Bezold


Die neugotische Strömung leitete in Nürnberg den Historismus ein. Vor allem durch der Architekt Karl Alexander Heideloff forcierte die Wiederbelebung des Mittelalters, aber auch Bernhard Solger schuf wichtige neugotische Bauten in Nürnberg. Heideloff bewunderte die mittelalterliche Baukunst Nürnbergs so sehr, dass er sie zum Vorbild für andere Werke nahm, wie zum Beispiel die Kirche St. Peter in Sonneberg (Thüringen), die deutliche Zitate der Nürnberger Lorenzkirche zeigt.

Das Bewußtwerden des erheblichen Bestands mittelalterlicher Bauten nötigte einerseits zu einer Stellungnahme, wie man neue Architektur an das Vorhandene anpaßte, andererseits führte die plötzliche romantische Begeisterung für das alte Nürnberg zu der Wiederaufnahme und Weiterentwicklung alter Formen.

Dürer-Pickrheimer-Brunnen Nürnberg Maxplatz

Heideloffs Dürer-Pirckheimer-Brunnen, eine Reminiszenz an die großen Tage Nürnbergs

Neugotischer Erker

Neugotischer, von den Altstadtfreunden
restaurierter Erker (Mostgasse 9)1


Da die Neugotik später, insbesondere im 20. Jahrhundert, kaum mehr auf Gefallen traf, fielen viele neugotische Werke der Spitzhacke zum Opfer. Auch die Nationalsozialisten dezimierten mit ihrem ideologischen "Stadtverschönerungsprogramm" unter dem Vorwand der Denkmalpflege die Neugotik - der Krieg vernichtete das meiste, was noch übrig war. So gibt es kaum noch stilistisch anspruchsvolle neugotische Architektur in Nürnberg.



Neuromanik und "Rundbogenstil"

Als Rundbogenstil wird die historistische Strömung verstanden, die sich Bauformen der Romanik und Renaissance, insbesondere italienischer und byzantinischer Formen bedient. Auf diesen Seiten zu findende Beispiele sind etwa das Fürther Rathaus oder die Antoniuskirche.

Synagoge

Die Nürnberger Synagoge im byzantinischen Stil, 1874 von Adolf Wolff errichtet, am 10. August 1938 auf Befehl des NS-Gauleiters Streicher wegen angeblicher Störung des Stadtbildes abgerissen



Der "Nürnberger Stil"

In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts versuchte man im Zuge eines wachsenden Geschichtsbewußtseins eine geeignete architektonische Ausdrucksform zu finden, die die Wertschätzung des baulichen Erbes Nürnbergs aus der Zeit seiner Blüte im 15. und 16. Jahrhundert hervorhebt. Den geschichtliche Hintergrund bildet das aufgrund der industriellen Revolution prosperierende Bürgertum in Nürnberg und das wiedererstarkte nationale Selbstbewußtsein nach dem Sieg im Krieg gegen Frankreich 1871 und der Gründung  des zweiten Deutschen Kaiserreiches. Nicht zuletzt wurden durch diese Entwicklung auch wieder alte reichsstädtische Instinkte aus dem Schlaf erweckt.

Königstraße 60

Königstraße 60


Petzoltstr.

Gut erhalten ist die Petzoltstraße in Gostenhof


Der ab etwa 1880 aufgetretene, sogenannte "Neu-Nürnberger Stil" ist eine lokalspezifische Form des Historismus und zeichnet sich durch die Übernahme lokal prägender dekorativer Formen des historischen Bestandes aus. Treibende Kraft war hier Konradin Walther, Professor an der Nürnberger Kunstgewerbeschule, mit seinen Schülern. Hauptsächlich bis zur Jahrhundertwende, aber auch noch danach entstanden so zahlreiche Gebäude im und vor allem um den historischen Stadtkern. Nach den Verlusten im zweiten Weltkrieg sind die oft vereinfacht, aber noch in nennenswerter Zahl erhaltenen Gebäude geschätzte Beispiele einer spezifisch nürnbergisch geprägten Architektur aus der Epoche des zweiten deutschen Kaiserreichs.

Charakteristisch ist die gleichzeitige Verwendung von Formen aus Renaissance und Spätgotik, aber auch das exzessive Zitieren des Nürnberger Erker- und Chörleinphänomens. Gleichzeitig bewirkte dieser  Bezug in der Architektur ein repräsentatives Anknüpfen an die vergangene "goldene Epoche" der Stadt in der Dürerzeit, als Nürnberg seinen kulturellen und wirtschaftlichen Höhepunkt erreicht hatte. Die malerischen Formen, die diese Strömung hervorbrachte, erfüllten die emotionalen Bedürfnisse des Bürgertums, das diesen Ideen nachhing.

"Nürnberger Stil" am Marientor, 1890/91 von Georg Richter

"Neu-Nürnberger Stil" am Marientor,
1890/91 von Georg Richter

Fassade Gostenhofer Hauptstr. 50

Gostenhofer Hauptstr. 50

Im öffentlichen Bereich entstand nach Entwurf August von Essenweins ein Erweiterungsbau des Nürnberger Rathauses. Essenwein war von 1866 bis 1892 Direktors des Germanischen Nationalmuseums, nach seinen Entwürfen wurde auch die Frauenkirche im Stil der Neugotik renoviert. Die Bomben des zweiten Weltkriegs haben auch in den Vorstädten kaum einen Fleck unbeschädigt gelassen, an wenigen Stellen präsentiert sich der Nürnberger Stil in voller Pracht. Einer der wenigen gut erhaltenen Straßenzüge mit fast komplett erhaltener Bebauung im Nürnberger Stil ist die Petzoltstraße in Gostenhof.



Neorenaissance, Neubarock und Neorokoko

Im Neorenaissancestil wurden viele gründerzeitliche Mietshäuser aufgeführt. Wie hier in der Gostenhofer Hauptstraße (1888) konnte durch besonders reichen Fassaden-Zierrat, oft auch im Stilmix, die repräsentative Wirkung beliebig gesteigert werden. Neubarock und Neo-Rokoko treten in verschiedenen Erscheinungsweisen auf. Einerseits wurde die historische und repräsentative Ausstrahlung zur Darstellung von Macht durch Bezugnahme auf das Zeitalter des Absolutismus genutzt.

Neurenaissance-Fassade in der Altstadt

Klaragasse 26 (ca. 1890)


Neurenaissance-Fassade in der Gostenhofer Hauptstr.

Gostenhofer Hauptstraße 56


Mit Ausklang des Jugendstils, neben dem der Historismus nie ganz verschwand, traten wieder frei aufgefaßte und vereinfachende Barockformen auf, die sich mit dem Jugendstil vermischten und klassizisierend wirkten. Ein Beispiel hierfür sind die infolge der Industrialisierung entstandenen "Gartenstädte" mit ihrem "Arbeiter-Barock". Zum anderen ist das Wiederaufkommen barocker Formen im sakralen Bereich zu beobachten (vgl. St. Michael in Johannis).

Bauhof 5, Fassade

Elegant und vornehm: die Fassade des Ämtergebäudes Bauhof 5 ist in einem strengen Neubarock gehalten



1Vgl. dazu TASCHNER / MULZER, Mostgasse 9 (s.u.)

Literatur:

  • BOECK, Urs: Karl Alexander Heideloff. In: MVGN 48 (1958), S. 314 ff.
  • FINK, Gerda: Fürther Str. 6b - Das Kleinod des Fabrikanten Ernst Meck, in: Alte Bauten - Neue Chancen, Umnutzung von Denkmalen, Kurzführer zum Tag des Offenen Denkmals 2000, S. 21 ff., Nürnberg 2000.
  • TASCHNER, Michael / MULZER, Erich: Mostgasse 9, in: Alte Bauten - Neue Chancen, Umnutzung von Denkmalen, Kurzführer zum Tag des Offenen Denkmals 2000, S. 25 ff., Nürnberg 2000.

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