Hotel Deutscher Kaiser
Königstraße 55
Karte im Stadtplandienst Nürnberg
1888/89
Konradin Walther
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Auf die Urheberschaft Konradin Walthers geht das Gebäude des 1888/89 errichteten Hauses
"Hotel Deutscher Kaiser" in der Königstr. 55 zurück.1 Es handelt sich um eines der
Hauptwerke des sogenannten "Nürnberger Stils". Diese Strömung im Nürnberg des ausgehenden 19. Jahrhunderts resultierte aus dem Bedürfnis,
zeitgemäß zu repräsentieren, aber gleichzeitig durch die Nürnberger Bautradition legitimiert zu sein.2
Stimmungsvolle Eingangshalle im Stil der Nürnberger Renaissance um 1600
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Höhepunkt des "Nürnberger Stils":
das Hotel Deutscher Kaiser
Der Architekt beschränkte sich auf die Gotik und die Nürnberger Renaissance um 1600 als Stilquelle.
Walther lehnte sich eng an Nürnberger Motive wie den mehrstöckigen Erker des zierlicheren Toplerhauses
an und benutzte "antike" Versatzstücke: an der Fassade wurde der Original-Erker des Vorgängerbaus
sowie eine, wie festgestellt werden konnte, authentische Sandstein-Madonna von Adam Kraft aus dem Jahr 1490 angebracht - eine weitere Bezugnahme auf die "große" Vergangenheit der Stadt.
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Die hoch aufragende Fassade mit den 2006 wiederhergestellten Maßwerk-Balkonbrüstungen
zeigt eine Symbiose aus gotischem Aufwärtsstreben und renaissancehafter Formensprache
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Zur Erreichung der repräsentativen Wirkung war Walther jedoch nur das Beste gut genug: er kombinierte zwei Ausnahmefälle
historischer Nürnberger Architektur, nämlich die zur Straße gerichtete Giebelfassade und das dreistöckige Chörlein.3
Schon zur Bauzeit wurden Bedenken gegen eine solche (Ab-)Nutzung baukünstlerischer Superlative erhoben.4
Im konkreten Fall ist jedoch ein individuelles Werk der Baukunst entstanden,
dessen Wert weit über die Summe kopierter Vorbilder hinausgeht.
Nach den Verlusten des Bombenkrieges wird umso deutlicher, welches Kleinod die fast völlige Zerstörung der Stadt überlebt hat
und von der lokalen Baugeschichte in Vorbild und Rezeption zeugt.
Walther erreichte eine einheitliche Gesamtwirkung, die das Bauwerk aus der Vielzahl historistisch-eklektizistischer Bauwerke hervorhebt.
Verglichen mit der 1888 schon Jahrzehnte zurückliegenden Neugotik Heideloffs und
Solgers werden die Unterschiede deutlich.
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Der dreistöckige Erker zitiert Toplerhaus und Behaim'sches Stabwerk
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Die Madonna mit Kind von Adam Kraft (1490/92) zeigt die typische gotische S-Linie und den charakteristischen Faltenwurf des Gewandes
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Die von Friedrich Wanderer
entworfene Statue Kaiser Ludwigs des Bayern wacht über die Fassade
Bemerkenswert ist, daß das Haus immer noch seinem ursprünglichen Zweck als Hotel dient.
Aus denkmalpflegerischer Sicht ist dies sowohl im Hinblick auf die authentische Aussage des Baudenkmals
erfreulich. Zudem ist stets die ursprüngliche Nutzung denkbar optimal
mit dem materiellen Denkmalbestand vereinbar; so sind bislang keine schweren Eingriffe
im Inneren erforderlich gewesen.
Fassadendetail mit Erkerkonsole
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Mittlerweile ist die herausragende Bedeutung für die lokale Architekturgeschichte anerkannt.
In der Nachkriegszeit verschlechterte sich der Zustand des Gebäudes jedoch zunächst,
bis hin zum Verlust des charakteristischen Stufengiebels. Seit einigen Jahren restaurieren die Eigentümer
das Anwesen jedoch vorbildlich. Im Zuge einer Fassadenrenovierung erhielt das Haus wieder stilistisch
passende und einheitliche Fenster. Die Steinbalkone sind 2006 wiederhergestellt worden;
dabei hat man nicht die vereinfachte Reparatur der Wiederaufbauzeit nachgeahmt, sondern das
originale Maßwerk rekonstruiert.5 Mit dieser Maßnahme ist das Erscheinungsbild des Hauses ganz wesentlich verbessert worden.
Es ist zu hoffen, daß das Bauwerk eines Tages auch seinen
ursprünglich vorhandenen Giebelschmuck zurückerhält.
Der Erker auf der Südseite stammt noch vom 1522 errichteten Vorgängerbau
Von Walther stammen außer dem hier gezeigten Gebäude
das Künstlerhaus und spätere "KOMM" (an dem auch
Otto Seegy
mitwirkte), die Kunstgewerbeschule an der Flaschenhofstraße (heute Amtsgericht) sowie überregional das im "Nürnberger Stil" erbaute Gebäude
der Tucherbrauerei in Berlin.
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1 Nach einer Inschrift in der Eingangshalle hat "C. Walther" die Pläne des Hauses erstellt.
2 GÖTZ, S. 206.
3 Ebd., S. 204 f.
4 Ebd., S. 206., S. 238 ff.
5 Freundliche Hinweise des Eigentümers.
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Literaturhinweise
- GÖTZ, Norbert: Um Neugotik und Nürnberger Stil, Nürnberg 1981, S. 204 ff.
- MASA, Elke: Freiplastiken in Nürnberg, S. 129 ff.
- Zeitschrift für Bauwesen 41/1891, Sp. 219
WWW-Verweise
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