St. Sebalduskirche (Gotik)
14./15. Jh.
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In gotischer Zeit war die Sebalduskirche
Gegenstand massiver Eingriffe: Seitenschiffe, Hallenchor und vertikal strebende Turmerhöhungen
sollten das Bauwerk den Ansprüchen der veränderten Zeiten anpassen. Durch diese Maßnahmen
wirken die äußerlich angeglichenen Kirchen St. Sebaldus und St. Lorenz wie Zwillinge,
von denen jede die Umgebung durch ihre Größe überragende Kirche den jeweils zugehörigen Teil der Altstadt
religiös behütet, insgesamt nur noch von der weltlichen Macht der Burg überragt.
Die nadelspitzen Turmhelme von St. Sebald
Nördliches Seitenschiff
Ansicht des Ostchores von der Theresienstraße
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Gotischer Wasserspeier, Nordseite von St. Sebald
Außenbau
Ab 1309 wurden die Seitenschiffe der Sebalduskirche gotisch umgebaut.
Wimperge (Giebelfelder über den Fenstern) durchstoßen in ihrem gotischen Aufwärtsdrang
die Gebälkzone. Die Fensterfläche nimmt einen Großteil der Wand ein,
entsprechend dem Prinzip des gotischen Skelettbaus und der Durchleuchtung der Wände.
Die oberhalb der Seitenschiffe befindlichen Lichtgaden des Hauptschiffes wurden romanisch belassen,
wie man an der massiven Wandfläche und den Rundbogenfenstern sieht.
St. Sebald von Südosten mit dem mächtigen spätgotischen Hallenchor
Die im Vergleich zur ursprünglichen
Kirche unproportionierten Baumassen der mächtigen Dächer, die
im Stadtbild auffallen, werden - wenn nicht ohnehin beabsichtigt -
äußerlich in Kauf genommen, um im Inneren die überwältigende
Raumwirkung zu ermöglichen. Die Turmerhöhungen mit
den spitzen Helmen ebenfalls charakteristisch für gotisches
Vertikalstreben.
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Bauplastik |
Das Weltgerichtsportal wurde von der ersten Sebalder Bauhütte geschaffen; es ist am südlichen Seitenschiff zu finden.
Beachtlich sind die bewegte Darstellung und die expressive Mimik der Gesichter.
Zu beachten ist auch das Schreyer-Landauersche Grabmal, 1492 von Adam Kraft, außen am Ostchor.
Ferner existiert am Außenbau eine sogenannte "Judensau", eine Schmähplastik,
deren Typus im Mittelalter in ganz Deutschland verbreitet war.
Brautportal
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Weltgerichtsportal, Detail: Die Verdammten werden in Ketten von einem Teufel weggezerrt
Die zweite Sebalder Bauhütte schuf das Brautportal an der Nordseite der Kirche.
Das aufwändige Vorhang-Maßwerk ist spätgotisch. Links steht eine Madonnenfigur auf einer Konsole unter
dem Baldachin, rechts die Figur des St. Sebald als Pilger. Die gestalterische Einbeziehung der Figuren in die Architektur
hat eine symbolische Bedeutung, denn sie entzieht die dargestellte Person der realen Welt.
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Innenraum |
Das Hauptschiff hat einen dreizonigen Wandaufbau, bestehend aus den Arkaden,
einem darüberliegenden Triforium und den Lichtgaden. Noch spätromanisch sind die massiven Pfeiler, die
Dienste der Gurtbögen beginnen erst in Höhe der Bogenansätze der Kapitelle.
Ein anderes Bild bietet sich im neueren Hallenchor.
Hallenchor
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Hauptschiff
Der 1361-1379 errichtete und am 27.08.1380 geweihte Hallenchor ist typisch für die deutsche Sondergotik. Seine Hauptachse weicht von der Achse des
Hauptschiffes ab. Optisch wirkt dies weniger wie ein Knick, sondern verstärkt eher die räumliche Entwicklung in Hinblick auf den Hallenchor.
Ein ähnliches Beispiel findet sich in Weißenburg. Die Pfeiler laufen ohne Gliederung durch und gehen in das Gewölbe über.
Kein Kapitell stört den Verlauf. Das suggeriert gotisch-vertikalistisch eine unendliche Höhe.
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Ausstattung |
Eine Hauptsehenswürdigkeit ist das Sebaldusgrab mit den Reliquien des Namenspatrons.
1508-19 entstand es; der ursprüngliche Entwurf stammt von Peter Vischer, wurde aber wohl
durch dessen Söhne zur Ausführung geändert. Es handelt sich um ein
wichtiges Werk an der Schwelle von Mittelalter und Renaissance, erkennbar am Ringen der mittelalterlichen und der
Formensprache mit den Motiven aus der wiederauflebenden Antike.
Madonna im Strahlenkranz, 1425/30
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Sebaldusgrab
Zur weiteren Ausstattung gehört unter anderem Hans von Kulmbachs 1513 entstandenes Tucher-Epitaph;
von Veit Stoß zu erwähnen sind ein St. Andreas (1505/07) und eine Kreuzigungsgruppe von 1520.
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Sebalder Pfarrhof |
Zur Sebalduskirche gehört der
gegenüber liegende Sebalder Pfarrhof.
Er ist hauptsächlich um 1361/1379 entstanden; seine Gebäde gruppieren sich um einen Hof.
Das bekannte Chörlein ist eine Kopie
von 1898/1902; das gotische Original kann im Germanischen Nationalmuseum
besichtigt werden.
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Chörlein am Sebalder Pfarrhof
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WWW-Verweise und Literaturverweise zur Sebalduskirche (Gotik)
(weitere Hinweise auf der Seite zur romanischen Sebalduskirche)
- PECHSTEIN, Klaus: Beiträge zur Geschichte der Vischerhütte in Nürnberg, Berlin 1962
- PECHSTEIN, Klaus: Das Sebaldusgrab in Nürnberg, Stuttgart 1967
- PECHSTEIN, Klaus / STAFSKI, Heinz: Der Starcksche Kruzifixus vom Sebalder Westchor, Neustadt an der Aisch 1983
- PILZ, Kurt: Das Sebaldusgrabmal im Ostchor der St.-Sebaldus-Kirche in Nürnberg - ein Messingguß aus der Gießhütte der Vischer, Nürnberg 1970
- FEULNER, Adolf: Peter Vischers Sebaldusgrab in Nürnberg, Müchen 1924
- SCHAUERTE, Thomas: Überlegungen zum gotischen Wandtabernakel in der Nürnberger Sebalduskirche, Nürnberg 1995
- SEEGER, Ulrike: Der Ostchor der Nürnberger Pfarrkirche St. Sebald. Popularisierung eines Heiligen, München 1992
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