Ehemalige Gefällstelle
1900
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Auch die Stadt Nürnberg selbst nutzte die moralisch-assoziative Aussagekraft des
"Nürnberger Stils" für ihre Amtsgebäude. Nach nebenstehendem Entwurf erbaute die Stadt Nürnberg im Jahre 1900 an der Einfallstraße
von Erlangen eine sogenannte Gefällstelle im
"Neu-Nürnberger Stil". Solche Einrichtungen dienten der Vereinnahmung lokaler Abgaben
("Zölle"), die beim Betreten des Nürnberger Stadtgebietes fällig wurden.
Daher existierten solche Einrichtungen an den Einfallstraßen der Stadt.
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Das hier gezeigte Haus hatte einen erdgeschossigen Kassenraum, der sich in einem
Vorbau befand und nach außen durch ein großes, zur Straße zeigendes
Fenster kenntlich war. Der Vorbau schiebt sich wie ein Riegel weit an die Straße
vor, eine Geste, durch die der Zwang zum Anhalten und Bezahlen vermittelt wird.
Die abgeschrägten Ecken des Vorbaues betonen die Ausrichtung zur Straße hin.
Die feierliche Gestaltung des zugehörigen, wie ein mahnender Zeigefinger aufragenden
Giebels zeigt die Wichtigkeit der hier stattfindenden Tätigkeit und symbolisiert
Würde und Respekt vor der Obrigkeit. Aus heutiger Sicht empfindet man die
Gestaltung eher als gewollte Beschönigung der gesetzlichen Zwänge -
quasi ein gesungenes Gesetz.
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Zollhaus Thon in der Nachkriegszeit
Zeichnung von Dieter Uhlschmidt aus dem Buch "Ein Dorf im Wandel der Zeit"
Mit freundlicher Genehmigung des Autors
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Die Baugestaltung folgt Formen der Nürnberger Renaissance um 1600.
Volumen und Anordnung der Baumassen mit dem spitzhelmbekrönten Treppenturm erinnern an einen der
Herrensitze.
Eine pittoreske Wirkung wird durch die zerklüftete Vielfalt der Dachformen
erzielt.
Die Beschwörung reichsstädtischen Selbstbewußtseins einhundert
Jahre nach dem Ende der Reichsstadt verdeutlicht sich an der Ornamentik und den Details,
insbesondere dem Stadtwappen über dem Eingang mit geschnitzter Holztüre,
dem plastischen Schriftzug auf der Fassade und der Wetterfahne auf der Turmspitze.
Dem sich der Stadt Nähernden sollte auf diese Weise frühzeitig vermittelt werden,
daß Nürnberg ohne Zweifel nahtlos an seine goldene Zeit als freie Reichsstadt
angeknüpft hatte.
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Das Haus wurde wegen Baufälligkeit und dem vierspurigen Ausbau der Bundesstraße 4
am 8. Juni 1976 abgerissen.
Einige der Zollgebäude sind allerdings heute noch zu sehen, so am Mühlweg zwischen Wetzendorf und Poppenreuth sowie
an der Gebersdorfer Straße beim Großkraftwerk. Die Typähnlichkeit weist darauf hin,
daß hier die Pläne offenbar aus der Schublade genommen und mehrmals ausgeführt wurden.
Ehemaliges Zollhaus bei Wetzendorf (Mühlweg)
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Dabei muß das städtisch wirkende Haus zur Zeit seiner Erbauung - noch
inmitten des Knoblauchslandes stehend, weit und breit von Äckern umgeben - wie ein
Fremdkörper gewirkt haben. Hinzu kommt, daß die nächste Siedlung in
Richtung Zentrum das etwa einen Kilometer entfernte Bauerndorf Thon mit seinen damals noch bestehenden
urtümlichen Schwedenhäusern (vergleichbar nur noch mit dem kleineren
Schwedenhaus in Großreuth h. d. V.) war.
Auf dem nebenstehenden Plan ist die Gefällstelle in der linken oberen Ecke (Nordwesten)
rot eingezeichnet.
Auch das malerische Zollhaus
Gebersdorfer Straße 89 entstand um 1900, jedoch in einem ländlicherem Fachwerkstil.
Das Anwesen am Mühlweg liegt immer noch idyllisch am Ortsrand
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