1933-1945
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Den Nationalsozialismus als kunsthistorische Epoche
zu bezeichnen ist problematisch. Allerdings wäre es ebenso schwierig, die Bauten aus der NS-Zeit
anderweitig zuzordnen. Ein eigener Abschnitt rechtfertigt sich hier jedoch,
weil sich der Einfluß der nationalsozialistischen Ideologie auf die Architektur
in Nürnberg aufgrund der historischen Umstände in besonders intensiver Weise zeigt.
Die Stadt hatte für die NSDAP höchste Bedeutung und wurde
zur Stadt der Reichsparteitage und einer der sogenannten "Führerstädte" bestimmt worden.
In der Bautätigkeit schlug sich die Geltung Nürnbergs für die
Nationalsozialisten drastisch nieder. Zum einen entstand das Reichsparteitagsgelände,
zum anderen beeinflußte der Nationalsozialismus aber auch die Architektur
nicht parteigenutzter Bauten.
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Ehem. Luftgaukommando Schafhof (Schafhofstraße 32, 1938)
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Ehemaliges Reichsparteitagsgelände |
Das ehemalige Reichsparteitagsgelände am Dutzendteich ist neben dem KdF-Seebad Prora auf Rügen eines der größten
Monumente der Bautätigkeit der Nationalsozialisten. Es diente als Aufmarsch-, Kundgebungs- und
Festgelände der NSDAP. Seine Ausdehnung umfaßt eine Fläche, die zehn Mal
so groß ist wie die Nürnberger Altstadt - ein Dokument der Hybris der Partei, aber auch ihrer Angewiesenheit auf die Einschüchterung der Bevölkerung durch schiere Größe.
Das Reichsparteitagsgelände blieb unvollendet, weitere Bauten waren geplant. Die heute wichtigsten Überreste sind die
Kongreßhalle
und die
Zeppelintribüne.
Für ihren Bau wurden Häftlinge der Konzentrationslager in Flossenbürg und Mauthausen herangezogen.
Die Bauten des Reichsparteitagsgeländes erinnern daher auch an die Opfer dieser Einrichtungen des NS-Terrors.
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Entdämonisierung, -heroisierung durch Banalisierung:
Fast-Food-Restaurant in der Lichtdom-Trafostation als zeitgemäßer Umgang mit "unbequemen Baudenkmälern"
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Der Umgang mit dem Reichsparteitagsgelände ist eine heikle Aufgabe und dessen Integration eine
der großen städtebaulichen Aufgaben Nürnbergs. Der ursprüngliche Zweck
des Areals zwingt zu einer vielseitigen Auseinandersetzung. Bedeutung und Größe der
"unbequemen" Baudenkmale erschweren dies jedoch erheblich. Auf der anderen Seite wird die
das Gelände durch verschiedene Faktoren gefährdet. Der fortschreitende Verfall und die
immer stärkere Überlagerung durch andere Nutzungen wie Sport (Arena, WM 2006), Messe (CCN Ost)
und Veranstaltungen (Norisring, Volksfest, Rock im Park) konkurrieren mit der Erschließung des
Geländes und der einzelnen Bauten im historischen und städtebaulichen Kontext.
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Nach dem Ende der NS-Herrschaft etablierte sich eine pragmatische Nutzung der Bauten
als Lagerhallen und des Geländes mit Großveranstaltungen und Freizeitangeboten
sowie einem Großparkplatz für das Messezentrum. Obgleich häufig als
unbefriedigend empfunden, stellte diese Situation, da ungezwungen und ehrlich,
vielleicht die zunächst "am wenigsten misslungene" Auseinandersetzung mit dem Gelände dar.
Durch die Nutzung war auch der Erhalt der Denkmäler gesichert.
Vorgeblendete Buckelquader verleihen auch dem versteckten Wasserturm
das passende Aussehen (1936/38 nach Planung von Speer).
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NS-Relikt an der Umformerstation (Regensburger Straße 336, 1936-39 von Speer und Schmid-Ehmen)
Die fortwährende Alltagsnutzung zeigte aber auch die Unfähigkeit,
selbst in Jahrzehnten häufig unergiebiger Debatten
ein befriedigendes Konzept des Umgangs mit dem ehemaligen Reichsparteitagsgelände zu realisieren.
Auch gegenüber den in den 1980er Jahren aufkommenden Plänen einer stärkeren Kommerzialisierung
hatte die Alltagsnutzung den Vorteil, daß die Bauten präsent waren und ihre
Erinnerungsfunktion erfüllten, ohne daß durch eine all zu geschäftliche Nutzung und
Verschönerung eine Verharmlosung zu befürchten war.
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Gleichwohl war man sich der Verantwortung für das
Reichsparteitagsgelände und der Tatsache,
daß diese Situation keine endgültige Lösung darstellen konnte, stets bewußt.
Das Gelände ist nicht städtebaulich isolierbar,
und aus moralischer und historischer Sicht konnten die sich
in drängender Weise stellenden Fragen nicht unbeantwortet gelassen werden.
Daher wurde unter Fortsetzung der bisherigen Nutzungen in der Kongresshalle ein
Dokumentationszentrum eingerichtet, das die Maschinerie der Nazi-Reichsparteitage behandelt.
Dabei gelang eine Lösung, die sowohl architektonisch als auch inhaltlich überzeugen kann.
Ehem. SS-Kaserne, in der Nähe des Parteitagsgeländes,
1938/40 von Franz Ruff
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Ehem. "Gauhaus" Marienplatz 5 (1935-37 von Franz Ruff)
Trotz der Kritik, wichtige Aspekte der Nationalsozialistischen Gewaltherrschaft wie der Holocaust blieben
außen vor, ist zu bedenken, daß nicht jedes Baudenkmal aus dem
Nationalsozialismus an diesen insgesamt erinnern kann. Das Dokumentationszentrum hat
international anerkennende Reaktionen ausgelöst.
Neben den Hauptüberresten Kongresshalle und Zeppelintribüne gibt es noch eine
Reihe weiterer Anlagen, die für die Reichsparteitage entstanden. Insoweit wird an dieser Stelle auf die
zwischenzeitlich vorhandenen anderweitigen Auskunftsmöglichkeiten Reichsparteitagsgelände
verwiesen (siehe Verweise).
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Als Parteibau, jedoch unabhängig vom Reichsparteitagszweck, zeugt auch das ehemalige "Gauhaus" der NSDAP am
heutigen Willy-Brandt-Platz von den nationalsozialistischen Bauidealen.
Auf seiner Rückseite findet sich ein Relief, das von dem Bildhauer Prof. Wilhelm Nida-Rümelin stammt.
Die symbolhafte Darstellung des Herkules, der eine Schlange besiegt, ist eines der wenigen erhaltenen Beispiele nationalsozialistisch beeinflußter Plastik.
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Andere öffentliche Bauten |
Ehem. "Göring-Schule" Oedenberger Straße 135
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Weniger auffällig als das Reichsparteitagsgelände, jedoch teils trotzdem deutlich
erkennbar sind die sonstigen Einflüsse des nationalsozialistischen Bauens in Nürnberg.
Schulen wie die ehemalige Herrmann-Göring-Schule von Heinz Schmeißner und Wilhelm
Schlegtendal (1936-1940) führte man in einem ideologiegerechten, anti-modernen Heimatstil
aus. Dabei wurden ortstypische Anklänge bewußt verwendet, um eine offensichtliche
Verbindung zwischen der "deutschen Vergangenheit" und der NS-Herrschaft herzustellen.
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Auch am ehemaligen Luftgaukommanndo im Nordosten der Stadt
finden sich typische, von den
Nationalsozialisten bevorzugte Motive, wie der hier lediglich angedeutete
"Führerbalkon" über
einem dreibogigen Triumphbogen-Zitat. Am gleichen Gebäude findet sich ein
fränkisch-heimattümelnder Erker mit funktionslosem Fachwerk auf zwei
"bodenständigen" Rundstützen.
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Reine Zweckbauten wurden mit weniger symbolistischem Aufwand in rationeller Bauweise erstellt,
wie der moderne Bahnof Zollhaus von 1937. Er diente als Entlastungsbahnhof für das
Reichsparteitagsgelände. Die Parteiveranstaltungen sorgten regelmäßig zu einer
Überlastung der günstig zentral im Reich gelegenen Stadt durch Hunderttausende von Besuchern.
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Erstaunlich modern: Entlastungsbahnhof Zollhaus (Klenzestraße 11, 1937)
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Nationalsozialistische "Stadtbildpflege" |
Ehem. Luftgaukommando Schafhof (erbaut 1938)
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Im Sinne der ideologischen Beherrschung sämtlicher kultureller Bereiche plante die NSDAP
zahlreiche Baumäßnahmen in der Altstadt Nürnbergs. Die Nazis hatten die Nürnberger
Altstadt als Symbol für ihre Propaganda eingeplant. In diesem Sinne sollten solche Fassaden
umgestaltet oder entfernt werden, die nicht dem offiziellen Stilempfinden der Parteileitung entsprachen.
Zum Opfer fielen dieser Anordnung etwa die neugotischen Fassadengestaltungen des Platner'schen Hauses
am Egidienberg von Heideloff sowie das Telegrafenamt von Solger neben der Frauenkirche.
Im Sinne einer Rückführung des Stadtbildes zu dem, was als "altdeutsch" erwünscht
war, rekonstruierte man anhand alter Darstellungen den Erker des
Heilig-Geist-Spitals zu seinem auch
nach dem Krieg wiederhergestellten heutigen Aussehen, allerdings mit aufgesetzter NS-Symbolik. |
Kriegsarchitektur |
Zahlreiche Hochbunker im Stadtgebiet zeugen noch heute von den Maßnahmen, die die
Zivilbevölkerung im zweiten Weltkrieg vor feindlichen Luftangriffen schützen sollten. Die meisten davon
wurden zwischenzeitlich zu Wohngebäuden umgebaut oder erweitert, wie etwa der Bunker an der Grübelstraße
in der Altstadt.
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Von-Oelhafen-Straße 5: Umgebauter Luftschutzbunker Thon (Aufnahme 2005)
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Privatbauten |
Nationalsozialistische Bevormundung erfolgte auch mittels stilistischer Einflußnahmen
oder bei öffentlichen Siedlungsprojekten. Die parteilich veranlaßte Gleichschaltung zielte
darauf ab, individuelle Baugestaltung zu verhindern. Damit kam die geringe Bedeutung des einzelnen
Menschen in der nationalsozialistischen Gesellschaft gegenüber der
"Volksgemeinschaft" zum Ausdruck.
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Literaturhinweise:
- DIETZFELBINGER, Eckart / LIEDTKE, Gerhard: Nürnberg - Ort der Massen - Das Reichsparteitagsgelände, Vorgeschichte und schwieriges Erbe, Berlin 2004
WWW-Tipp:
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